Kundenservice via Chat, warum eigentlich nicht?

Finn Danker  /  15.12.23  /  Digitale Transformation

 

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich von einem sehr technikaffinen Schulfreund auf diese neue App hingewiesen wurde, mit der man kostenlos so was ähnliches wie SMS verschicken kann. „So wie bei ICQ, nur auf dem Handy!“ Wer sich hier instinktiv zurück in die 90er besinnt, verschätzt sich gewaltig: Das Zitat stammt aus dem Jahr 2011.

Innerhalb von weniger als zehn Jahren sind Instant-Messaging-Dienste zum selbstverständlichen Standard sämtlicher privater Kommunikation geworden. Auch wenn es nicht immer der Marktführer WhatsApp sein muss und eine Open-Source- und Non-Profit-Alternative zur Verfügung steht,[1] auf die Vorzüge dieser Art von Kommunikation möchte heutzutage wirklich (fast) niemand mehr verzichten.

Warum aber begrenzen wir diese einfache und komfortable Art der Kommunikation nur auf das Private? Warum wickeln wir nicht einfach auch andere Geschäfte dort ab, wo wir uns ohnehin schon den ganzen Tag aufhalten? Vieles spräche dafür: Die Einstiegshürden sind minimal. Der Aufwand, der den Kunden abverlangt wird, ebenfalls. Denn man muss nicht an einer ausgeprägten Sozialphobie leiden, wenn sich einem schon die Nackenhaare aufstellen beim Gedanken daran, ein Callcenter anrufen zu müssen.

Der entschiedenste Vorteil liegt hier beim zeitlichen Ablauf der Kommunikation. Statt minutenlang in einer Warteschlange auf Durchstellung zu warten – in der Hoffnung, nicht kurz vor dem Ziel doch noch mit dem Verweis auf lange Wartezeit einfach hinausgeworfen zu werden –, kann man in einem Chat einfach immer dann schreiben, wenn es einem gerade dazwischen passt. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Endkunden, sondern auch für die Callcenter-Mitarbeiter:innen, die mithilfe von Tools wie Glassix[2] in der Lage sind, mehrere Gespräche parallel zu führen. Ein großer Vorteil besteht dabei in der Möglichkeit, die Geschwindigkeit des Gesprächs auf die Bedürfnisse der Kunden anzupassen – weil die Wartezeit, bis der erste Kunde endlich die Kundennummer herausgekramt hat, einfach durch die Interaktion mit anderen Kunden überbrückt werden kann. Dies schont die Nerven beider Seiten, was sicherlich der Qualität und der Zufriedenheit mit der Serviceleistung zuträglich ist.

Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt: Weshalb hat sich der Kundenservice via Chat bisher noch nicht durchgesetzt? Warum sind Callcenter weiterhin verbreitet, aber textbasierte Kundenkommunikation bleibt eher die Ausnahme? Auch hier ist es erforderlich, beide Enden des Telefonkabels zu betrachten. Die Endverbraucher umzugewöhnen, neue Kommunikationswege einzuschlagen, ist auch dann gehemmt, wenn sie mit dem neuen Kanal bereits vertraut sind, weil erst eine subjektive Überzeugung überwunden werden muss, dass sich Instant Messaging nicht für „offizielle“ Kommunikation eignet. Gleichzeitig sind die Hürden für Unternehmen natürlich wesentlich höher, die verfügbaren Kommunikationswege zu ändern. Hier spielen nicht nur die technischen Gegebenheiten eine Rolle, sondern auch Personalplanung, Datenschutz und Arbeitsplatzmanagement.

Dass hier in der Zukunft Veränderungen zu beobachten sein werden, ist gewiss, denn wer nicht mit der Zeit geht, geht bekanntlich mit der Zeit. Aber wie schnell diese vonstattengehen und in welchem Umfang diese zu erwarten sind, bleibt noch abzusehen.


 

[1] https://signal.org/de/

[2] https://www.consist.de/glassix