Low-Code-Nutzung im Unternehmen – Teil 2: Wann ist Low Code sinnvoll?

Ingo Czarnowski  /  12.02.24  /  Digitale Transformation

 

Teil 1 dieses Beitrages war ein kurzer Crash-Kurs zur Thematik „Low Code“ mit Blick auf Vor- und Nachteile.

Dieser Teil 2 des Beitrages beantwortet die Frage: Wann sollte ich Low-Code nutzen – und wann nicht?

Die Frage hat zwei Aspekte:

  1. Wann sollte ich meine Anwendung mit Low Code entwickeln?
  2. Wie kann Low Code mein Unternehmen voranbringen?

Teilfrage 1: Wann sollte ich meine Anwendung mit Low Code entwickeln?

Vermutlich lässt sich die Antwort schon gut erraten, wenn man Teil 1 gelesen oder sich bereits zuvor mit Low Code beschäftigt hat: „Es hängt davon ab, wohin die Reise gehen soll!“

Jede Anwendung, welche man entwickeln möchte, sollte im Hinblick auf diese Frage individuell betrachtet werden. Außerdem sollte man sich mit verschiedenen Low-Code-Plattformen auseinandersetzen, um zu verstehen, welche Vor- und Nachteile sie bieten.

 Im Folgenden geben einige kleinteiligere Fragen Unterstützung, eine fundierte Antwort zu finden.

Wird bereits eine Low-Code-Plattform im Unternehmen eingesetzt?

Wenn ja, so ist zu prüfen, ob mit ihrer Hilfe die gewünschte Anwendung erstellt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so sollte man darüber nachdenken, ob man in eine weitere Low-Code-Plattform investieren möchte. Meistens ergibt es erst Sinn, in eine solche Plattform zu investieren, wenn mindestens das Potenzial besteht, mehrere Anwendungen auf der Plattform umzusetzen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist meistens eine „klassische“ Entwicklung der Anwendung (ohne Low Code) zu empfehlen.

Sollen zukünftig weitere Anwendungen mit Hilfe von Low Code entwickelt werden?

Eine (kostenpflichtige) Low-Code-Plattform ergibt in der Regel nur Sinn, wenn man mehrere Anwendungen mit ihr entwickeln möchte. Die Finanzierung einer Low-Code-Plattform ist in den meisten Fällen an die Anzahl der Anwendungen gebunden und wird entsprechend im Verhältnis günstiger, je mehr sie genutzt wird.

Ist eine „klassische“ Entwicklung günstiger?

Wenn man im Vorhinein die Anforderungen an die Anwendung genau beschreiben kann, kann sich herausstellen, dass die Umsetzung in einer Low-Code-Plattform erheblichen Aufwand generiert. Die von Low-Code-Plattformen angebotenen Objekte und Logikbausteine sind beschränkt. Möglicherweise sind einige Anforderungen der Anwendungen schwer oder nur mit Workarounds in der Plattform umsetzbar. Daher bietet sich die Betrachtung der Aufwände für eine „klassische“ Entwicklung an, insbesondere bei komplexeren Anwendungen.  

Möchte ich die Möglichkeit von Citizen Developers nutzen?

Im ersten Moment mag es verlockend klingen, jedem die Möglichkeit zu geben, sich an der Entwicklung von Software zu beteiligen. Es braucht bei den meisten Plattformen am Ende aber doch eine Gruppe von erfahrenen Entwicklern, welche sich im Hintergrund um z. B. ALM, Datenbank-Management und Monitoring kümmern. Es ist empfehlenswert, ein Konzept sowie Regeln zu entwickeln, wie Citizen Developers sich in die Entwicklung einbringen können. Ansonsten besteht die Gefahr einer sogenannten Schatten-IT, bei der Software entsteht, die nur in kleinen Bereichen bekannt und durch einzelne Personen gepflegt wird, von der aber entscheidende Prozesse abhängig sind. Die IT sollte immer wissen, welche Software im Unternehmen existiert. Klare Regeln, wann und wie Anwendungen entwickelt werden dürfen, und eine IT im Hintergrund für die allgemeinen Prozesse – mit diesen Voraussetzungen lassen sich Kolleg:innen in die Entwicklung von Software durch Low-Code-Plattformen einbinden. (Dies ist in der „klassischen“ Entwicklung nur sehr selten möglich.) Man darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht vergessen, dass dies auch eine zusätzliche Belastung der Fachbereiche darstellt, welche eingeplant werden sollte.

Muss meine Anwendung sehr präzise grafische oder sehr komplexe logische Anforderungen erfüllen, welche nicht verhandelbar sind?

Ist dies der Fall, ist es insbesondere bei sehr präzisen grafischen Vorgaben möglich, dass eine Low-Code-Plattform diese nicht umsetzen kann. Im Allgemeinen gilt: Je komplexer und unflexibler die Anforderungen an eine neue Anwendung sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Low Code nicht die Möglichkeiten bietet, diese Anforderungen zu erfüllen. Oft kann ein Team aus erfahrenen Entwickler:innen hohe Performance- und Verfügbarkeits-Anforderungen verlässlicher umsetzen als manche Low-Code-Plattform.

Muss meine Anwendung mit „veralteter“ Technologie auf „veraltete“ Art und Weise interagieren können?

Die meisten Low-Code-Plattformen unterstützen die Interaktionen mit modernen und Standard-Technologien. Je älter und weniger gebräuchlich die Technologie, mit welcher die Plattform interagieren können soll, desto wahrscheinlicher, dass sie nicht oder nur durch Erweiterungen von Drittanbietern unterstützt wird. In diesem Fall empfiehlt sich die „klassische“ Entwicklung, solange die „veraltete“ Technologie nicht modernisiert werden soll.

Soll die Anwendung helfen, auf Basis von Microsoft Office 365 und Microsoft Teams die Zusammenarbeit meiner Mitarbeiter:innen / Kolleg:innen zu optimieren?

Diese Frage kann dabei helfen, direkt die passende Low-Code-Plattform zu ermitteln. Kann diese Frage bejaht werden, so bietet sich die „Power Platform“ von Microsoft als Low-Code-Plattform an. Die „Power Platform“ ist in Office 365 inklusive und unter gewissen Voraussetzungen kostenfrei nutzbar. Für alle Unternehmen mit Office 365 ist es zu empfehlen, sich mit dieser Plattform zu beschäftigen. So kann sie z. B. dabei helfen, gemeinsam genutzte Excel-Tabellen abzuschaffen und durch Anwendungen zu ersetzen.

Teilfrage 2: Wie kann Low Code mein Unternehmen bereichern?

Zu dieser Frage gibt es eine deutlichere Antwort: Low Code kann die Digitalisierung des Unternehmens beschleunigen und vereinfachen.

Mit Hilfe von Low-Code-Plattformen und einer gut organisierten IT können alle Mitarbeiter:innen zur Digitalisierung des Unternehmens beitragen. Während komplexe Prozesse weiterhin durch die IT und „klassische“ Entwicklung digitalisiert werden, können kleinere Prozesse, die auch nur kleine Personengruppen betreffen, durch geschulte Kolleg:innen außerhalb des IT-Bereichs umgesetzt werden. Dies beschleunigt die Prozesse des Unternehmens und es werden eventuell Prozesse sichtbar, welche zuvor nie sichtbar waren – und die erst dann optimiert werden können.

Dies setzt voraus, dass die Mitarbeiter:innen zur Low-Code-Plattform selbst und zu den Vorgaben des Unternehmens zum Umgang mit der Plattform geschult werden. In diesem Rahmen sollte auch sichergestellt werden, dass die IT im Hintergrund die Möglichkeit hat, den Überblick bzgl. entwickelter Anwendungen zu bewahren. Die meisten Low-Code-Plattformen beinhalten die nötigen Mittel hierfür bereits oder geben Anreize, wie dies sichergestellt werden kann.

Die Digitalisierung eines Unternehmens ist auch ohne Low Code möglich: Das Unternehmen kauft Standardsoftware ein und passt die eigenen Prozesse an diese an. Oder Prozesse werden mit Hilfe von „klassischer“ Entwicklung digitalisiert ‒ dies benötigt meistens viel Zeit. Für kleine, nicht zu komplexe Prozesse kann Low Code schnell individuelle Lösungen bieten.

Fazit

Die Entwicklung mit Low-Code-Plattformen hat ihre Vor- und Nachteile. Gerade beim Entwickeln von neuen Anwendungen, die schnell benötigt werden und nicht zu komplexe Anforderungen haben, sind Low-Code-Plattformen eine Bereicherung; die Digitalisierung kleiner interner Prozesse ist hierfür ein Beispiel. Sobald eine Anwendung allerdings sehr komplex ist und Qualitätsanforderungen zu Performance oder Verfügbarkeit gestellt werden, sollte das Nutzen einer Low-Code-Plattform vorab gut geprüft werden. Aktuell bietet sich für diesen Fall meistens noch die „klassische“ Entwicklung an.

Im Allgemeinen ist zu empfehlen, vor der Entwicklung jeder neuen Anwendung zu prüfen, ob sie mit Low Code umgesetzt werden kann. Ist dies der Fall, sollte man den Entwicklungs- und Wartungsaufwand mit der „klassischen“ Entwicklung vergleichen. Dies erfordert Zeit, kann sich aber langfristig auszahlen.

Außerdem empfiehlt es sich, Low Code für eine mögliche Unterstützung bei der Digitalisierung des Unternehmens in Betracht zu ziehen. Die direkte Einbindung von Citizen Developers ermöglicht eine schnelle Digitalisierung und eine passgenaue Unterstützung der Unternehmensprozesse. Dabei ist allerdings wichtig, die Bildung einer Schatten-IT zu verhindern.